Bücherverbrennung

Am Abend des 10. Mai fährt ein Ochsenkarren auf den Platz vor dem Römer in Frankfurt am Main, beladen mit hunderten Büchern. In der Mitte des Platzes ist schon ein Holzstoß aufgeschichtet. 15.000 Menschen sind gekommen und aus den Nebenstraßen strömen Fackelträger herbei, bereit, das Holz zu entzünden. Hinter einem Fenster im Römer steht der Theologe Paul Tillich und beobachtet die Szene. Auch Bücher von ihm werden gleich dem Feuer zum Opfer fallen.

Seit 1928 lehrt Tillich in Frankfurt und ist den Nazis wegen seiner kritischen Haltung längst ein Dorn im Auge. Abschätzig nennen die Nationalsozialisten die Frankfurter Universität das „Neu-Jerusalem am fränkischen Jordan“.

In dieser Zeit dringt die SA immer wieder gewaltsamen in die Universität ein und verprügelt jüdische Studierende. Tillich, damals Dekan, verteidigt in mehreren Reden die Angegriffenen, fordert den Ausschluss von NS-Sympathisanten. Kurz darauf erklären ihn die Nazis zum Feindkörper.

Im Frühjahr 1933 wird Tillich schließlich die Beurlaubung mitgeteilt. Er gehört damit zu den ersten nichtjüdischen Professoren in Deutschland, die aus politischen Gründen ihres Amtes enthoben werden.

Nach seiner Entlassung reist Tillich durch Deutschland und bespricht sich mit Freunden, die ihn davon überzeugen können, Deutschland zu verlassen Das Exil ist für Tillich eigentlich keine Option. Schließlich geht er doch mit seiner Familie nach Amerika und hält dort, wie Thomas Mann, politische Radioansprachen. Nach dem Krieg erinnert sich Tillich in seinen Aufzeichnungen an den Abend des 10. Mai 1933. „Die Flammen züngelten hoch und beleuchteten das Traumbild, das doch Gegenwart war. Die Zeit war um zweihundert Jahre rückwärtsgelaufen“, schreibt der Theologe aus dem Exil. Und er rät den Christen in Deutschland, sich nicht mit einer solchen Sache gemein zu machen. Denn wer sich nicht gegen die Nazis, wer sich nicht gegen die Menschenfeinde stellt, der verrät seinen Dienst an der Welt, der verrät Gott.

Erich Kästner, dessen Bücher damals auch verbrannt wurden, fasst das später so zusammen: „An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.“

Pfarrer Frank-Nico Jaeger, Stadt- und Johanneskirchengemeinde Bad Hersfeld