Rotenburg – Die Tagesordnung der vor der Kirchenvorstandswahl zum vorletzten Mal regulär tagenden Kreissynode war mit so schwergewichtigen Punkten angefüllt, dass Landrat Torsten Warnecke und Bürgermeister Marcus Weber gebeten wurden, von Grußworten abzusehen. Dabei nahmen beide Politiker zum ersten Mal an einer Zusammenkunft des Kirchenparlaments teil.
Das taten sie im Rotenburger Bürgersaal über vier Stunden lang, möglicherweise beeindruckt davon, wie gut vorbereitet die allen auf den Nägeln brennenden Themen „Pfarrstellenplan für die Jahre 2026-2031“ und „Gebäudestrategieprozess“ dargestellt und angesichts einer gewissen Alternativlosigkeit mehr oder weniger unstreitig abgehakt wurden.
Ein klein wenig könnte das daran gelegen haben, dass Pröpstin Sabine Kropf-Brandau sich bei ihrer Andacht eine Perücke aufsetzte, in einen Kittel schlüpfte und als „Küsterin Erna“ eloquent darlegte, dass sich bei Kirchen vieles geändert hat und in naher Zukunft weiter ändern muss. Angesichts stärker als prognostiziert zurückgehender Mitgliederzahlen sei absehbar, dass „50 das neue 100“ werde: „Wir müssen das Ganze in Schwung bringen und priorisieren!“ Auch wenn jeder etwas anderes für wichtig halte, der eine mit der rosaroten Vergangenheitsbrille, der andere mit der blauen Gegenwartsbrille in die Zukunft schaue, gelte es, miteinander zu „überlegen, wie wir gut Kirche sein können“. Die Hoffnung sterbe zuletzt, betonte Kropf-Brandau, um der Synode dann mit regenbogenfarbener Brille zuzurufen: „Mit uns allen sehe ich eine Kirche mit weniger Gebäuden, aber mit begeisterten Menschen, die miteinander das Reich Gottes aufblitzen lassen!“
Wie das mit einem per 1. Januar 2032 von 37,5 auf 32,25 Stellen gekürzten Pfarrstellenbudget gehen soll, konnten die Kirchenparlamentarier auf für alle Kooperationsräume ausgearbeiteten Übersichten mit Gemeindemitgliederentwicklungsprognose ablesen. Danach verliert der Raum Bebra-Ronshausen eine halbe Stelle und ein Pfarrhaus. Der Raum Hersfeld-Mitte, der in den Bezirken Auferstehungskirche und Matthäuskirche von einem überdurchschnittlichen Mitgliederverlust betroffen ist, muss sich mit einer Stelle und zwei Pfarrhäusern weniger begnügen.
Der Raum Hersfeld-Südwest mit dem Geis-, Aula- und Haunetal bekommt 0,75 Stellenanteile und zwei Pfarrhäuser weniger zugeteilt. Der Raum Wildeck-Nentershausen-Cornberg verliert eine halbe Stelle und ein Pfarrhaus. Der Raum Rotenburg-Alheim muss im Bereich Alheim/Braach auf eine halbe Stelle verzichten. Im Raum Werratal-Landecker wird sowohl in Heringen als auch in Philippsthal um eine halbe Stelle reduziert. Anpassungen werden darüber hinaus bei der Wahrnehmung von übergemeindlichen Aufgaben und Vertretungsdiensten vorgenommen.
Bei der Erläuterung des Pfarrstellenplans wies Pfarrer Michael Zehender als stellvertretender Dekan darauf hin, dass Ruhestandseintritte dafür sorgen werden, dass der Stellenabbau mehr oder weniger problemlos über die Bühne gehen werde. Darüber hinaus prophezeite er, dass man vor dem Hintergrund eines sich abzeichnenden Pfarrermangels „eine Party feiern“ könne, wenn am 31. Dezember 2031 alle zur Verfügung stehenden Stellen besetzt seien.
Gemeinde werde auch in Zukunft vor Ort stattfinden, aber es werde nicht mehr alles in allen Gemeinden möglich sein. Präses Reinhard Kerst verwies auf die vielen vertrauensbildenden Gespräche, die vor und während der Aufstellung des Pfarrstellenplans geführt worden seien und resümierte: „Wir müssen uns der Entwicklung stellen.“ Angesichts dessen stimmte die Synode der Vorlage mit überwältigender Mehrheit zu. Des Weiteren ermächtigte sie den Kirchenkreisvorstand, Ort und Zeitpunkt der erforderlichen Anpassungen festzulegen oder auch zu verändern.
Allen Einsparungen zum Trotz hat die Landeskirche dem Kirchenkreis angesichts seiner Größe eine Drei-Viertel-Profilpfarrstelle zur Verfügung gestellt, um dem Mitgliederschwund entgegenzuwirken und „neue Wege zu gehen und andere Formen des Kirche-Seins zu erproben“. Nach Vorstellung von fünf Vorschlägen entschied sich die Kreissynode dafür, eine in ähnlicher Form bereits im Kirchspiel Landecker-Dreienberg erprobte Servicestelle einzurichten, die die Kirchengemeinden und die Feier- und Segensbedürfnisse unterschiedlicher, insbesondere nicht in der Kirche beheimateter Menschen inhaltlich unterstützt und für den gesamten Kirchenkreis Formate und Konzepte entwickelt und durchführt. Diese sollen die Menschen im Sinne einer missionarischen Kirche in ihren Lebenswelten erreichen und das Ehrenamt projektorientiert stärken“.
Foto und Text: WILFRIED APEL (Quellenangabe: Rotenburg-Bebraer Allgemeine vom 07.04.2025)